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Samstag, 23. Dezember 2017 um 18:49
Ihr Lieben,
vor einiger Zeit habe ich eine kleine Weihnachtsgeschichte geschrieben, die euch ein paar Minuten der Besinnung schenken möchte. Ich hoffe, Ihr habt Freude beim Lesen :-))))
Frohe Weihnachten wünscht eure Steffi


VERIRRT

Ich wrang den Feudel aus, drapierte ihn über den Eimer und verfrachtete das unansehnliche Ensemble auf die Terrasse. Trocknen würde der Lappen nicht, höchstens steiffrieren, aber das war nur temporär. Wenn man sich in Norddeutschland auf etwas verlassen kann, dann auf matschige Weihnachten. Sie wissen schon: Dieser unappetitliche Schneematsch in Dunkelgrau und Schlammbraun, der schöne Schuhe in weniger schöne Schuhe verwandelt, aus saubergeschrubbten Feiertagskindern Matschmonster zaubert und sich im Bauchfell des Familienhunds ausgesprochen wohlfühlt. Um dann vom Fell direkt auf dem blankgewischten Fußboden ... und da wären wir wieder beim Feudel.

Ich zog die Terrassentür hinter mir zu,  warf einen prüfenden Blick auf den Baum, zupfte hier an einer Kerze, arrangierte dort einen Federengel um, schob im Vorbeigehen noch einen Teller auf dem Esstisch zurecht und verließ das Wohnzimmer. In der Diele blieb ich stehen und lauschte ins Haus hinein. Es herrschte Ruhe, absolute Ruhe. Mann, Kinder und Hund hatte ich vor Stunden aus dem Haus gescheucht, um ungestört zu putzen und zu brutzeln und was es sonst noch vor dem Einfall von Eltern, Schwiegereltern, Brüdern, Schwester, Nichten und Neffen am heutigen Heiligen Abend vorzubereiten galt.  Ich sah auf die Uhr. Halb vier, und ich war schon fertig, eine ganze Stunde vor meinem Zeitplan. Eine Stunde, bevor Mann, Matschmonster und Schlammhund nach Hause kommen würden, drei Stunden bis zum Einfall der Verwandtschaft. Ich überlegte kurz. Eine ganze Stunde. Badewanne? Bett? Buch? Oder doch noch weiterputzen, irgendwas fand sich bestimmt? Mein Blick fiel auf die Winterjacke. Spazierengehen. Das war genau das Richtige, um den Kopf frei zu bekommen.

Wenig später erreichte ich den unsere Kleinstadt von zwei Seiten umschließenden Wald. Ich zögerte kurz. Die Dämmerung setzte bereits ein, ich dachte an die Wildschweine, die es in der kalten Jahreszeit dichter zum Waldsaum mit seinen Futterstellen zog und die meiner joggenden Freundin im letzten Winter eine unbequeme Nacht auf dem Hochsitz beschert hatten, dann schüttelte ich die Bedenken fort. Ich wollte nur eine kleine Runde auf dem Hauptweg drehen, kein Schwein würde sich in die Nähe wagen. Ein Schritt, noch einer, und schon umfing mich das graue Zwielicht unter den Bäumen, doch der Weg lag noch immer als helles Band vor mir. Kurz sackte mir das Herz in die Hose, als mir eine dunkle Gestalt entgegenkam, aber es war nur ein Jogger – Gott sei Dank ohne Schwarzkittel auf den Fersen. Ich grüßte ihn freundlich, als er vorbeihastete, eine kurze Weile hörte ich noch das Platschen seiner Schritte, dann war ich wieder allein. Der Weg gehörte zu meiner Standardrunde mit dem Hund, also achtete ich nicht weiter auf meine Umgebung, sondern erlaubte meinen Gedanken, hierhin und dorthin zu wandern. Ein Luxus, den ich mir in den letzten Wochen nicht gegönnt hatte, zu sehr waren die Tage durchgetaktet gewesen. Diese Stunde nur für mich war eine Belohnung dafür, dass ich alles so wunderbar geplant, nichts übersehen, nichts vergessen hatte. Ein Geschenk.

Unruhe erfasste mich. Mit aller Macht setzte sich ein Gedanke in meinem Kopf fest: Ich hatte doch etwas vergessen. Etwas überaus Wichtiges. Nur: Was war es? So sehr ich mir auch das Hirn zermarterte, ich kam nicht drauf. Den Blick fest auf den Boden gerichtet schritt ich schneller aus, so als wollte ich den flüchtigen Gedanken einfangen. Noch war Zeit, das Versäumnis einzuholen und an diesem perfekt geplanten Weihnachtsabend nichts dem Zufall zu überlassen. Immer schneller hastete ich durch den Wald, konnte es kaum erwarten, wieder den Waldsaum zu erreichen und nach Hause zu kommen, denn spätestens dort würde ich wissen, woran es noch fehlte. Ein umgestürzter Baum quer über dem Weg zwang mich zum Halt. Während ich über den Stamm kletterte, stutzte ich. Dieser Baum hatte gestern noch nicht hier gelegen, und seitdem hatte kein Sturm unsere Region heimgesucht. Ich sah mich um. Es war beinahe dunkel, doch noch sah ich genug, um zu wissen, dass ich diese Ecke des Waldes nicht kannte. Nicht den Holzstapel gerade voraus, nicht die schräg stehende Fichte, die sich altersmüde gegen eine Buche lehnte, und auch nicht das verwitterte Schild direkt hinter dem umgestürzten Baum. Mir wurde mulmig. Wo war ich? Verunsichert trat ich zu dem Schild und beleuchtete es mit der Taschenlampen-App meines Handys. Das Schild schien uralt, ein von der Forstverwaltung längst vergessener Wegweiser. Flechten und Moose hatten große Teile des rissigen Holzes und den handgemalten, blassen Schriftzug überwuchert. Ich reckte mich, hielt das Handy dichter ans Holz. Der Anfangsbuchstabe war eindeutig ein "B", der zweite ein "e". Ich wischte die Flechten beiseite. Ein Doppel-T. Hektisch kratze ich das letzte Moos beiseite. Das Entsetzen kroch mir den Nacken herauf.

Bettina. Auf dem Schild stand unverkennbar das Wort "Bettina". Mein Name. In meiner eigenen Handschrift. Das Knarren eines trockenen Asts ließ mich herumfahren, als mein Handy ein letztes Mal aufflackerte und dunkel wurde. Der Akku war leer. Das Grauen dicht auf den Fersen stürmte ich durch die plötzlich gar nicht mehr stille Stille des Waldes davon. Überall raschelte und knackte es, ein aufgeschreckter Vogel stieß einen Schrei aus, war es sein Todesschrei? Eine Eule wischte dicht an mir vorbei, in der Ferne bellte ein Hund. Oder war es ein Wolf? Bellten Wölfe? In meiner Panik rannte ich weiter, immer weiter, der Weg verengte sich zu einem Pfad, Äste griffen nach mir, Kindheitsängste beherrschten mein ganzes Sein. Irgendwann hatte meine Flucht ein Ende, weil ich schlicht nicht mehr rennen konnte. Schwer an einen Baum gelehnt, schnappte ich nach Luft, vor meinen Augen tanzten grellbunte Flecken. Ich hatte keine Kraft mehr zum Weglaufen.
Meine kopflose Flucht hatte mich an den Rand einer kleinen Lichtung geführt. Der Mond stand im ersten Viertel und leuchtete gerade hell genug, um Licht zu spenden und trotzdem nicht die hunderttausend Sterne zu überstrahlen, die den Nachthimmel sprenkelten. Ich hielt den Atem an; selten hatte ich einen so prächtigen Himmel gesehen. Es war, als hätte sich das Firmament festlich herausgeputzt für eine ganz besondere Nacht. Und endlich begriff ich. Der Heilige Abend. Wenn Christi Geburt nicht ein ganz besonderer Abend war, welcher dann? Über all dem Trubel, den generalstabsmäßig durchgeplanten Wochen, um nur ja alles perfekt vorzubereiten, hatte ich den eigentlichen Grund für das Weihnachtsfest vergessen. Hatte Jesus vergessen, hatte Gott vergessen, die Weihnachtsbotschaft vergessen. Und ich hatte mich vergessen. Mich verloren.

Ein Fuchs schnürte über die Lichtung. Er witterte, hob den Kopf und sah mich an, minutenlang. Dann setzte er seinen Weg fort, sein Pelz graurot im Mondlicht. Fasziniert beobachtete ich ihn, bis er an einem weiteren Schild vorbeistrich und im Unterholz verschwand. Ich stapfte durch den Farn zu dem Schild. Wieder ein Wegweiser, ähnlich verwittert wie der erste, und wieder konnte ich meinen Namen entziffern, doch es flößte mir keine Furcht mehr ein. Ich folgte dem Richtungspfeil, bis ich zu einer Wegkreuzung kam, wo mir ein weiteres Schild die Richtung wies.
Mit jedem Wegweiser wurde mir das Herz leichter, wurden meine Schritte beschwingter. Eine bedingungslose Zufriedenheit, wie ich sie seit meiner Kindheit nicht mehr gespürt hatte, erfüllte mich. Zufriedenheit und jenes Gottvertrauen, das mir im Erwachsenenalter abhanden gekommen war. Die Schilder hatten alles Unheimliche verloren, wiesen sie mir doch den Weg zu mir selbst.

Später rätselte ich oft, wie lange ich unterwegs gewesen war an jenem magischen Abend. Es erschien mir wie eine lange, endlose Nacht, doch als ich nach Hause zurückkehrte, konnte kaum mehr als eine Stunde vergangen sein. Mein Mann und die Kinder waren gerade angekommen, die Diele glich einem Schlachtfeld. Überall Matsch, Hund und Kinder reif für die Badewanne, der Mann sah nicht viel besser aus. Er blickte erst auf mich, dann auf die verwüstete Diele. "Ich mache gleich sauber", sagte er, die Resignation in der Stimme unüberhörbar. "Noch ist ja Zeit."
Ohne mir die Schuhe auszuziehen, eilte ich auf ihn zu und warf mich lachend in seine Arme.
"Ja", sagte ich. "Noch ist Zeit. Aber nicht fürs Putzen, sondern für uns vier. Lass uns die Kerzen anzünden, aufs Sofa kuscheln und die Weihnachtsgeschichte lesen."

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Antwort

Samstag, 23. Dezember 2017 um 18:59
So eine schöne Geschichte! Vielen Dank dafür!
Frohe Weihnachten! Ruth

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Antwort

Samstag, 23. Dezember 2017 um 19:09
Liebe Steffi, 
es gibt nichts schöneres als Phantasie und Geschichten. Irgendwo findet man sich selbst. 
Danke, das du uns diese Weihnachtsgeschichte geschenst hast. 
Dir und Deiner Familie ein frohes Weihnachtsfest. 
Liebe Grüße von Petra
Über einen Besuch in meinem Shop würde ich mich freuen:
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Antwort

Samstag, 23. Dezember 2017 um 19:50
Danke Steffi für diese wunderschöne Geschichte. Schöne Weihnachten euch allen hier!

Liebe Grüße
Ingrid
Antwort

Samstag, 23. Dezember 2017 um 20:00
Hallo liebe Steffi,
wunder-, wunderschön. Vielen Dank für diese kleine Weihnachtsgeschichte. Und ja du hast recht : das Ganze etwas entschleunigen und etwas weniger perfekt, dafür von Herzen, ist ein sehr guter Gedanke.
Dir und Deiner Familie noch wunderschöne Weihnachten! ;)
LG Susann
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Antwort

Samstag, 23. Dezember 2017 um 20:26
Liebe Steffi,
herzlichen Dank für diese schöne Weihnachtsgeschichte! :-)
Du schreibst sehr schön. Es macht richtig Spaß, die Geschichte zu lesen.

Fröhliche Weihnachten euch allen!

Monika
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Antwort

Samstag, 23. Dezember 2017 um 21:03
Hallo Steffi, vielen Dank, dass du diese schöneGeschichte mit uns geteilt hast.

Ich wünsche allen ein wunderbares Weihnachtsfest und ein paar ruhige, schöne Tage. :-)

Herzliche Grüße,
Christine
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Antwort

Samstag, 23. Dezember 2017 um 22:22
vielen lieben Dank für Deine kleine Geschichte. Sie liest sich wirklich super.
Sie sagt uns auch, das man vor lauter Hektik auch mal Ruhe finden soll, und nicht immer
perfekt sein muß.
Allen ein frohes besinnliches Weihnachtsfest. God jul
Antwort

Sonntag, 24. Dezember 2017 um 11:57
Liebe Steffi,

ich muss dir einfach nochmal schreiben und Danke sagen. Diese Geschichte hat grad meine Familie zutiefst berührt... 

Sehr spannend und sie sagt wunderbar aus, was Weihnachten wirklich bedeutet.

Ich wünsch dir ganz viel Freude und Zeit für dich und deine Familie!

Von Herzen
Monika
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Antwort

Mittwoch, 27. Dezember 2017 um 10:24
Liebe Steffi

Eben erst kam ich dazu, deine wunderschöne Geschichte zu lesen! Ich werde sie aufbehalten, damit ich sie immer mal wieder lesen kann! Auch deine Sprachbilder gefallen mir sehr! Ganz herzlichen Dank!

Weihnachten ist ja nun vorbei und so wünsche ich dir und deinen Lieben einfach ein paar geruhsame Tage in der Altjahreswoche und dann alle Gute, viel Glück, Gesundheit, Zufriedenheit und Erfolg im neuen Jahr.

Viele liebe Grüsse

Christina
Antwort

Freitag, 29. Dezember 2017 um 23:08
Liebe Steffi,
ganz herzlichen Dank für diese wunderbare Weihnachtsgeschichte mit Tiefgang.

Wünsche allen immer wieder Zeit für sich selbst und die Familie - nicht nur an Weihnachten. Es sind so wertvolle Momente.

LG Traudelina
_______________________________________________________________

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Traudelina

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Antwort

Sonntag, 31. Dezember 2017 um 12:05
Liebe Steffi

Auch meinem Mann hat deine Weihnachtsgeschichte sehr gefallen, sowohl vom Inhalt als auch von der Sprache her! Herzlichen Dank nochmals - und gerne mehr!
Antwort

Dienstag, 2. Januar 2018 um 11:53
Ich freue mich sehr, dass euch die Geschichte gefallen hat und bedanke mich für eure lieben Worte :-)
Ich hoffe, ihr seid alle gut ins neue Jahr gekommen und wünsche euch alles, alles Gute!
Ich packe gerade – morgen geht's in den Urlaub. Und dann wird der Bleistift gespitzt (naja, die Tastatur geölt), denn ich habe tatsächlich fürs nächste Jahr ein großes Schreibprojekt am Start. Ich freue mich schon wie Bolle :-)))

Alles Liebe von eurer Steffi

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Antwort

Dienstag, 2. Januar 2018 um 13:13
Liebe Steffi,
dann wünsch ich dir jetzt erstmal einen superschönen Urlaub. Erhol dich gut und lass alle neuen Ideen sprießen für dein Schreibprojekt. Viel Erfolg auch damit!

Alles Liebe von Monika
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