Mittwoch, 9. März 2022 um 22:06
Ich seh schon, es kommt immer wieder zu Missverständnissen bei dem Thema. Also erst einmal: Der Feminismus ist nicht böse. Er steht grundsätzlich für Menschenrechte und voran Frauenrechte und die Interessen von Frauen. Nachdem jahrhundertelang nur Männer als Menschen galten (vor Gott und Gesetz) ist das glaub ich ziemlich legitim.
Ich habe nie behauptet, Frauen seien "besser" als Männer. Ich vermute lediglich, dass eine feministische, aus Deeskalation und Humanismus setzende Außenpolitik allen Staaten dieser Erde gut tun würde.
Frauen werden vor allem Opfer von Gewalt. Dass auch Frauen Täterinnen sind, ist traurig, aber wahr. Auch sie sind vorher aber Opfer gewesen - Opfer patriarchaler Gewalt und eines Frauenbildes, dass Frauen als Menschen zweiter Klasse degradiert. Es gibt dieses Phänomen auch bei einigen Missbrauchsopfern, die im späteren Leben zu Tätern werden. Der psychologische HIntergrund sorgt
auch oft dafür, dass Opfer sich selbst die Schuld geben und sogar Täter in Schutz nehmen.
Unter toxischer Männlichkeit arbeitet sich seit einigen Jahren ein gesellschaftlicher Diskurs ab, der in einem bestimmtem, männlich konnotierten Gewaltverhalten toxische Muster benennt, die weder dem Mann noch allen anderen Beteiligten gut tun. Hier kannst du was dazu lesen: Link entfernt. Mod.
Das beginnt schon in der Grundschule. Ich weiß nicht, wo ihr lebt, aber mein Sohn hat regelmäßig Ärger mit Jungs, die schon im Grundschulalter genau dieses toxisch-männliche Verhalten an den Tag legen, und zwar weil er eigentlich auch nicht so ist! Schau dir mal die Fußballplätze an: Da kannst Du es jeden Samstag beobachten ;).
Das bedeutet gleichzeitig nicht, dass alle Männer sich toxisch verhalten oder ich was gegen Männer hätte. Oder dass wir Menschen nicht sanftmütig, freundlich und wohlbehalten durchs Leben kommen können. ;)
Das tun wir ja hier auch. Aber schau dir die Kriminalstatistik an - da gibt es echt Probleme, die unter der heilen Welt ganz fies köcheln, und ihren ideologischen Überbau finden sie zum Teil in einem toxisch-männlichen Weltbild - in verschiedenen Abstufungen natürlich.
Innerhalb dieser toxisch-männlichen Strukturen kommt es regelmäßig zu gewalttätigen Übergriffen mit betont maskulinen Motiven, die allein auf die Unterdrückung und Erniedrigung von Frauen abzielen. Ihren Gipfel erlebt dies in der Gruppe der so genannten Incels. ( Hier mehr dazu: Link entfernt, Mod.)
Aber bevor das hier zu weit führt - Deinen Schlusssatz unterschreibe ich gern - ich sehe mich als Feministin in erster Linie Humanistin ;).
"nur, wenn endlich ALLE als gleichwertig angesehen und behandelt werden, kann die Welt besser werden. Ungeachtet von Geschlecht, Hautfarbe, Nationalität."
- > Aber das bedeutet, dass noch einiges zu tun ist, bevor Frauen auch wirklich so gleichwertig und sicher aufgehoben sind. Es mag in deinem persönlichen Erleben noch nicht vorgekommen sein, dass du oder deine Kinder Gewalt erlebt haben - sei froh! - aber es passiert täglich. Und das ist ja auch nur ein Teil des Programms, für den der Weltfrauentag steht. Deine Tochter ist ja vielleicht auch ganz froh, dass sie in unserem Land abtreiben dürfte, sollte sie mal in so einer Situation sein.
Ich habe immer den Eindruck, viele wehren sich so gegen diesen Feminismusbegriff, weil sie glauben, Feminismus würde alles andere ausschließen oder gar Männer verteufeln. Das Gegenteil ist doch der Fall! Der Feminismus denkt halt nur die Frauen mit, die in der Geschichte der Menschheit mehr oder weniger vergessen wurden, und zwar in ihrer unglaublichen Vielfalt und für die Freiheit, selbst zu entscheiden, wie, wo und mit wem man sein Leben leben möchte.
Männer sind regelmäßig genervt davon, so nach dem Motto "man darf nicht mal mehr nen Witz machen". Dabei waren bestimmte Witze auch vor 50 Jahren schon nicht witzig. Heute haben wir das Recht, jemand wegen unlauteren Verhaltens anzuzeigen (der Klaps auf den Po, der Griff in den Schritt...). DAS finde ich doch enorm wichtig, weil es immer noch nicht alle begriffen haben.
Es ist schön für dich und deine Töchter, dass ihr solche Erfahrungen noch nicht machen musstet - ich könnte dir tatsächlich viele eigene Erlebnisse und die von Freundinnen schildern, die deutlich machen, wie sehr wir den Feminismus brauchen.
Es geht beim Feminismus einerseits darum, sich als Frauen gegenseitig zu unterstützen und genau die Barrieren aufzubrechen, die uns bisher aufgehalten haben, aber auch darum, verkrustete, patriarchale (Denk-)Strukturen aufzubrechen und zu hinterfragen.
Tja, und da ist echt noch viel zu tun. Mit "ach reg dich nicht so auf, so schlimm ist das doch nicht" ist es halt leider nicht getan. Wir sind noch lange nicht bei Deinem Schlusssatz, leider.
Viele Grüße,
Sonja